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Eine didaktische Herangehensweise in ganzer Lage

Geschrieben Von: Sebastian Sieburger


Technische Übungen sind für mich nicht das Allheilmittel, um einen Sportler zu verbessern. Sie nehmen zu viel Zeit ein; der Athlet muss in einigen Fällen erst einmal lernen, die Übung durchzuführen und in manchen Fällen muss man Übungen durchführen, um andere Übungen auszugleichen.


Trotzdem strebe ich einen sehr hohen Technikanteil in meinem Training an. Dafür nutze ich folgendes Vorgehen:


Vor jeder Saison betrachte ich die Sportler in meiner Trainingsgruppe und suche für jede Lage die größten vier gemeinsamen Fehler, die die meisten meiner Sportler gemein haben. Diese vier Fehler werden zu Beginn der Saison durch Videodemonstrationen, viel Zeit und technische Übungen so sehr vertieft und bearbeitet, bis jeder Sportler für jeden der Fehler genau weiß, was gemeint ist, was es für ihn bedeutet und worauf er achten muss, damit die Bewegung korrekt durchgeführt wird. Diesen Zustand nenne ich Balance – ausbalanciert. Für den Rest der Saison kann ich nun meine Schwimmer in ganzer Lage schwimmen lassen und durch die vier verschiedenen Fokusse in ganzer Lage bei verschiedenen Distanzen und Geschwindigkeiten an ihrer Technik feilen lassen. Sage ich nun 200m Rücken Balance, schwimmen sie die vier Bahnen und konzentrieren sich auf einem Viertel der Strecke im Beispiel Rückenschwimmen auf Fokus 1 – schneller Catch, Fokus 2 – Ellenbogen stellen, Fokus 3 – Schulterrotation und Fokus 4 – 6er-Beinschlag. Der Vorteil ist, dass nun Volumen und Intensitäten mit einem hohen technischen Niveau möglich sind. Im Kraulschwimmen sind diese vier Fokusse in der Saison 2021/22 in meiner Trainingsgruppe z.B. 1) Ellenbogen stellen, 2) einäugig atmen, 3) Fingerspitzen schleifen und 4) 6er-Beinschlag.


Ich empfehle nicht, alle vier Lagen in einer Saison das erste Mal einzuführen. Das überfordert erfahrungsgemäß viele Athleten. Ich habe mit Kraul und Rücken begonnen und in der zweiten Saison noch Delphin hinzugenommen. Letzteres ist bei Nachwuchsathleten in ganzer Lage schnell schwierig, deshalb lasse ich sehr viele dieser Balance-Meter einarmig (passiver Arm angelegt, Atmung nach vorn) schwimmen. Hier ist der Rhythmus dem der ganzen Lage sehr ähnlich und gleichzeitig wird es nicht zu einer schlampigen Art, Kraul zu schwimmen wie das bekannte 3 Züge rechts/links/ganze Lage.

In der Tabelle sind meine aktuellen Schwerpunkte in den drei Lagen zu erkennen. Nach jeder Saison werden diese der Gruppe angepasst. Ein Copy & Paste macht hier keinen Sinn, da Eure Athleten vermutlich nicht komplett die gleichen Fehler machen wie meine.

In Brust habe ich Balance noch nicht angewendet, da die technische individuelle Varianz schon bei meinen recht guten Brustschwimmern so groß ist, dass ich aktuell keine 4 Fokus finde, die sicher auf jede Technik zutreffen. Wenn ihr hier Vorschläge habt, nur her damit! Ich bin dankbar!

In der Praxis gibt einem "Balance" viele Möglichkeiten, seine Sportler zu fordern. Bei meinen Athleten ist zum Ausschwimmen z.B. 10x50 "Lagen-Lotto" sehr beliebt:

Vor jeder Bahn lose ich die nächste Lage und den nächsten Fokus aus (das macht eine App für mich) und so wissen meine Athleten nicht, welche Lage sie in der nächsten Bahn schwimmen müssen und worauf sie dabei achten müssen.

Eine konditionell anspruchsvollere Serie mit "Balance" kann so aussehen:

3x

4x50 Fly Balance einarmig steigern 1-4

2x50 Fly all out aber technisch perfekt

3x200 Free Balance [also 50m pro Fokus]: 1. + 5er Atmung, 2. + starke Wenden, 3.+ steigern über die kompletten 3 Durchgänge.

Greets

Sebastian


Sebastian Sieburger, geboren 1987 in Deutschland, ist Cheftrainer des Schweizer Nachwuchsteams SC Schaffhausen. Zuvor war er 6 Jahre Juniorentrainer in einem Nachwuchsleistungszentrum in Deutschland. Während seine Schwimmkarriere (ohne Bedeutung) mit Anfang Zwanzig aufgrund von Schulterproblemen langsam zu Ende ging, zog er aus dem Wasser an den Pool und stellte fest, dass er es viel besser konnte. Schnell folgte seine erste Vollzeitstelle in Frankfurt, einige Jahre später wechselte er ins Ausland. Sebastian ist Cheftrainer, trainiert aber weiterhin aus Überzeugung die Nachwuchsgruppen. Sein Hauptinteresse gilt der technischen Ausbildung seiner Schwimmer und dem Trockentraining. Er besitzt die höchste deutsche Trainerqualifikation und ist einer von 5 Schwimmtrainern aus Deutschland, die die Ausbildung zum "Trainer im Nachwuchsleistungssport“ erfolgreich abgeschlossen haben. Der SC Schaffhausen ist ein Schweizer Nachwuchszentrum mit Medaillengewinnern an nationalen Meisterschaften.

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